Man sollte nie die Hoffnung aufgeben!
Obwohl aller Anfang gestern schwer war, klappte dafür heute
alles umso besser. Bis zum Mittag konnte ich ein WG-Videogespräch und zwei
Wohnungsbesichtigungen vereinbaren. Endlich lernte ich auch Pilar kennen, meine
aktuelle Vermieterin, die eine wirklich nette Person ist. Katja, ein Freund von
ihr und Pilar aßen gemeinsam mit mir Mittag. Sofort war das Gefühl fehl-am-Platz-zu-sein,
was sich gestern immer mehr in mir ausgebreitet hatte, in der Luft verpufft. Bevor
ich mich zu meinen Terminen aufmachte, plauderten wir gemütlich, fast so, als
würden wir uns schon ewig kennen und Pilar brachte mich zur Bushaltestelle, die
mich ins Zentrum bringen würde.
Brav wartete ich und vertraute darauf, dass der Bus in der
nächsten Viertelstunde erscheinen würde.
Kurz darauf erkundigte sich eine Frau,
die mich anscheinend für eine Einheimische hielt, ob die 7 denn demnächst hier
halten würde.
Was hättest du mit dem momentanen Wissensstand gesagt?
„Ja, natürlich.“
Und wie so oft beim Vorführ-Effekt tritt dann gerade das,
was man erwartet hat, natürlich nicht ein.
Ein paar weitere Minuten später fragte mich eine Frau mit
deutschem Akzent genau das gleiche. Ich gab ihr daraufhin die gleiche Antwort. Nur
nahm die deutsche diese Antwort nicht so an, wie ihre Vorgängerin: Sie deutete
auf den Plan und meinte, dass es am 4.9. eine Fahrplanänderung gegeben hätte
und der Bus mit Nummer 7 heute Nachmittag nicht kommen wird. Als wir dies den
anderen dann auf Spanisch mitteilten, setzte sich die gesamte Traube, die sich
inzwischen um die Haltestelle versammelt hatte, in Bewegung und trabte uns
hinterher.
Im Bus Nummer 1 wollte die Frau natürlich wissen, was ich in
Cádiz mache und warum mein Spanisch so gut sei. Zum ersten Mal seit meiner
Ankunft wurde mir vor Augen gehalten, welchen Traum ich gerade tatsächlich lebe.
Mir wurde schlagartig die Möglichkeit bewusst, für ein halbes Jahr eine tolle
Stadt direkt am Meer bei sommerlichen Temperaturen erkunden zu können. Sowas ist
keine Selbstverständlichkeit! Von einem schlechten Start lasse ich mir von nun an nicht mehr die Motivation rauben.
Im Zentrum angelangt waren alle Zweifel, ob ich mich in
Cádiz einleben könnte, augenblicklich besiegt. Die Altstadt ist wunderschön! Es
gibt viele von Palmen flankierte Alleen. Kleine verwinkelte Gässchen wechseln
sich mit größeren Plätzen ab, welche von wunderschönen Hausfassaden ummauert
werden. Der Baustil ist faszinierend man kann ständig etwas Neues entdecken:
Sei es eine hübsche Statue, eine Open-Air-Zumba-Tanzgruppe oder ein architektonisch-interessantes
Gebäude. Die Deutsche aus dem Bus brachte mich noch gemeinsam mit ihrem Mann
ein Stück weit in meine Richtung, bevor ich mich dankbar verabschiedete.
Gut gelaunt begutachtete ich das erste Zimmer, welches keine
5 Laufminuten von meiner Fakultät entfernt liegt. Ich wurde von einer netten
älteren Dame und ihrer Freundin empfangen, anschließend noch zum Kaffeetrinken
eingeladen und plauderte kurz mit ihnen. Gerne kann ich wiederkommen, meinten
sie, selbst dann, wenn ich das Zimmer nicht nehmen sollte.
Danach lief ich zügig in Richtung der Strandpromenade an der
südlichen Stadtmauer, um mich mit Pilar und Susann, die auch in Jena studiert und
letztes Wintersemester an die Universidad de Cádiz gegangen war, zu treffen.
Vorbei kam ich dabei an meiner zukünftigen Fakultät, die sich in einem
riesengroßen, ehrwürdigen Gebäude befand vorbei, blieb aber trotz meiner Eile,
kurz bewundernd stehen und staunte nicht schlecht. Solche Bauden hat Jena seinen
Studenten nicht zu bieten! Ganz zu schweigen von der Strandnähe.
Zusammen mit Pilar, Susann und ihren Eltern spazierten wir
die malerische Strandpromenade entlang, die in beide Richtungen einfach nur
schön aussah: Im Osten erstreckt sich ein großer Sandstrand, der von einer
Reihe von Hochhäusern umsäumt wird, schließlich mit den Stadtmauern abgegrenzt
und von der wunderschönen Kathedrale, dem Wahrzeichen von Cádiz, abgelöst wird.
Der Blick in die andere Himmelsrichtung ist nicht weniger eindrucksvoll, denn in
den Ozean hinein erstrecken sich zwei Festungen: „Castillo de San Sebastián“
und auf der anderen Seite der kleinen Bucht befindet sich „Castillo de Santa
Catalina“.
Die untergehende Sonne begleitete uns auf unserem
Spaziergang entlang der Küste, vorbei am Parque Genovés, der mich mit einem
Tunnel begeisterte, von dessen Öffnungen aus man zwischen Wasserfällen hindurch
den Rest des Parks in Augenschein nehmen konnte. Obwohl Pilar und ich uns von
den anderen verabschiedet hatten, weil sie müde war und nach Hause wollte,
zeigte sie mir dennoch eifrig einige Orte, die sie an der Stadt besonders
liebte und wurde dadurch umso munterer. Ihre Art und Weise mir von Cádiz zu
erzählen, bestätigte mich nur noch mehr, dass dieser Ort genau der richtige für
einen Erasmusaufenthalt ist. Begeistert hing ich an ihren Lippen und war sehr
dankbar, dass sie sich die Zeit für mich nahm.
Gemeinsam gingen wir zur nächsten Wohnung. Meine momentane Glückssträhne
hielt offensichtlich an, da sogar ein Mitbewohner in der WG war, obwohl ich den
Vermieter, der unterwegs war, nicht mehr erreicht hatte. Die Tatsache, dass man
auf das Hausdach hinaufgehen kann, welches einen fantastischen Blick über die
komplette Altstadt zu bieten hat, fällte meine Entscheidung. „Hier will ich wohnen!“,
das wusste ich sofort. Da er noch nichts von meinem Besuch erfahren hatte, staunte
der Vermieter nicht schlecht, als ich ihm per Whatsapp mitteilte, dass ich
umgehend in das Zimmer einziehen will. Am Montag ist mein tolles Zimmer dann
einzugsbereit.
Abends aßen Pilar und ich spanische Empanadas gemütlich im
Wohnzimmer und schauten spanisches Fernsehen. Ein super gelungener zweiter Tag!