Mittwoch, 27. September 2017

Viva la fiesta!

Die erste Woche - Über Langeweile kann ich nicht mehr klagen. 





Kaum zu glauben, dass ich erst so kurze Zeit hier bin, wobei ich schon so viel erlebt habe. Am Montagmorgen (19.09.) bin ich in mein neues Heim eingezogen. Es war ganz schön anstrengend zwei Koffer durch mehr als die halbe Stadt zu schleppen. Trotzdem ist es das absolut wert, denn jetzt habe ich ein größeres, helleres Zimmer mit einem kleinen Balkon. Zusätzlich kann man auf das Hausdach steigen, wo man eine atemberaubende Aussicht auf die Kathedrale, das Wahrzeichen von Cádiz hat. Der einzige Nachteil, dass ich die erste Zeit hier darauf verwenden muss, alles zu putzen.
Am selben Montag bin ich schließlich das erste Mal in Kontakt mit anderen Erasmus-Studierenden gekommen. Zuerst war ich mit einer Italienerin, die auf meinen Facebook-Aufruf sich zum Baden gehen zu verabreden reagierte, und ihrer Freundin am Strand. Momentan ist das Wetter noch toll und man kann super schwimmen gehen.



Montagabend war ein Welcome-Treffen für uns. Während andere Nationen noch etwas auf sich warten ließen, waren die Deutschen auffallend pünktlich 19:45 Uhr am Treffpunkt vor der Kathedrale. Von hier aus unternahm eine ESN Koordinatorin mit uns eine kleine Tour durch die Restaurant- und Bargegend in Cádiz. Das war echt nötig, um mein kulinarisches Insiderwissen der Stadt auszubauen. Anschließend gingen wir – inzwischen waren alle fast am verhungern – in eine Tapas-Bar, wo wir uns durch die Speisekarte probierten. Mir fiel auf, dass die Preise fürs Ausgehen in Spanien deutlich niedriger sind als die Deutschen. Hier kann man wirklich günstig und gut speisen. Noch ein Punkt mehr, warum ich meinen Aufenthalt hier richtig genieße. Der Montag endete entspannt in einer Bar, wo ich feststellen musste, dass ich seit neustem Wein trinke. Cádiz ist für seinen Wein „tinto verano“ berühmt, ein Getränk aus Sprite und Rotwein. Für den Sommer echt ideal: Süß und prickelnd erfrischend. Mein größter Tageserfolg: Ich habe eine Whatsapp-Gruppe gegründet, in der einige der Studenten von diesem Abend dabei sind. Von nun an werde ich nicht mehr auf mich allein gestellt sein.


Tinto de verano

Spanische Tortilla


Der Dienstag war noch cooler, als der Montag. Früh ging ich wegen der Immatrikulation an der UCA in die Uni. Wieder stellte ich fest, wie wunderschön die Gebäude sind. Ich habe für dich extra ein paar Fotos gemacht. Jetzt bin ich offiziell Studentin hier in Cádiz. Erste persönliche Kontakte mit meinen Koordinatoren in den verschiedenen Fakultäten folgten. Eine Professorin nahm sich sogar kurz Zeit, um mir die Wege zur Bibliothek oder zur Mensa zu zeigen, wo ich gleich essen ging. Ich muss gestehen, erst sehr erschrocken über die Preise gewesen zu sein (es ist hier die Rede vom Dreifachen der deutschen Mensa-Preise). Doch man muss bedenken, dass die Qualität eine andere ist: Die Tomatensuppe schmeckte sehr aromatisch und war unvergleichlich im Geschmack mit deutschem Cafeteria-Essen, dazu gab es Gemüse und Hähnchenkeulen, einen Ananassaft und Früchte als Dessert.



Nachdem ich die meisten organisatorischen Wege hinter mich gebracht habe, ging es – einmal darfst du raten wohin – wieder an den Strand. Ich traf mich dort mit anderen Erasmus-Studierenden zum Baden und Beach-Volleyball. Allerdings wurde unser Spiel von Polizisten unterbrochen, die uns aufforderten, das Spielfeld zu räumen. Bis jetzt weiß ich nicht genau, was der eigentliche Grund war. Davon ließen wir uns bestimmt nicht die Stimmung vermiesen: Viele der Italiener begannen Fußball, ein paar andere spielten Volleyball außerhalb des Feldes weiter und ich ging mit meinem bisher engsten Freundeskreis in mein neues zu Hause, wo wir gemeinsam auf meiner Dachterrasse Abendbrot aßen.

Auf der Dachterrasse essen oder trinken wir oft gemeinsam.


Später kamen noch andere Leute hinzu und mit entspannter Musik und toller Aussicht leerten wir den ein oder anderen „tinto verano“ (den es günstig – wie wir schnell rausfanden – im Supermarkt zu kaufen gibt). Anschließend gingen wir geschlossen auf den vom ESN organisierten Karaoke-Abend und später wurde im Hafenviertel noch ausgelassen getanzt. Völlig erschöpft saß ich zu später Stunde mit meiner kleinen Gruppe dann gemütlich am Hafen und wir schauten auf die sanften Wellen, die sich gemächlich entgegen der Küste, hin zu der in der Ferne funkelnden Stadtsilhouette bewegten. Über uns ein erstreckte sich ein herrlicher Sternenhimmel und ich genoss die sanfte, milde Brise, die erfrischend gerade genug war, um mich vom stürmischen Tanz etwas zu erholen.

Beachvolleyball am Strand Caleta - fast jeden Tag!

Ich lasse still den Eindruck auf mich wirken. Das Erasmus-Leben ist unbeschwert, ausgelassen und ereignisreich. Kennst du das, wenn man Momente einfangen will und in ein Marmeladenglas packen möchte, damit man sie jederzeit wieder auspacken kann? Genau das wünsche ich mir für diesen Tag.

Die Folgetage nahmen sich nicht viel: Alles ist super (bis auf den Wohnungsputz, der bereits mehr als 4 Tage auf dem Programm steht und immer noch nicht komplett abgeschlossen ist)! Mein Alltag besteht zum Großteil darin die Umgebung und Leute kennen zu lernen, tagsüber an den Strand zu gehen, Abends toll essen und trinken mit neuen Freunden und danach Party.

Playa Santa María

Stadtführung extra für mich und andere Erasmus-Studenten.

Jeden Tag gibt es einen Markt, wo man Früchte, Gemüse,
Fisch und Fleisch zu guten Preisen kaufen kann.






Haie und andere Riesenviecher gibt's auf dem Markt.

International Dinner! Jeder der Studenten
brachte eine Kleinigkeit mit.





Auf dem Weg zur Party!

Samstag, 16. September 2017

Es lebe Cádiz!

Man sollte nie die Hoffnung aufgeben!


Obwohl aller Anfang gestern schwer war, klappte dafür heute alles umso besser. Bis zum Mittag konnte ich ein WG-Videogespräch und zwei Wohnungsbesichtigungen vereinbaren. Endlich lernte ich auch Pilar kennen, meine aktuelle Vermieterin, die eine wirklich nette Person ist. Katja, ein Freund von ihr und Pilar aßen gemeinsam mit mir Mittag. Sofort war das Gefühl fehl-am-Platz-zu-sein, was sich gestern immer mehr in mir ausgebreitet hatte, in der Luft verpufft. Bevor ich mich zu meinen Terminen aufmachte, plauderten wir gemütlich, fast so, als würden wir uns schon ewig kennen und Pilar brachte mich zur Bushaltestelle, die mich ins Zentrum bringen würde.




Brav wartete ich und vertraute darauf, dass der Bus in der nächsten Viertelstunde erscheinen würde. 
Kurz darauf erkundigte sich eine Frau, die mich anscheinend für eine Einheimische hielt, ob die 7 denn demnächst hier halten würde.
Was hättest du mit dem momentanen Wissensstand gesagt?
„Ja, natürlich.“
Und wie so oft beim Vorführ-Effekt tritt dann gerade das, was man erwartet hat, natürlich nicht ein.
Ein paar weitere Minuten später fragte mich eine Frau mit deutschem Akzent genau das gleiche. Ich gab ihr daraufhin die gleiche Antwort. Nur nahm die deutsche diese Antwort nicht so an, wie ihre Vorgängerin: Sie deutete auf den Plan und meinte, dass es am 4.9. eine Fahrplanänderung gegeben hätte und der Bus mit Nummer 7 heute Nachmittag nicht kommen wird. Als wir dies den anderen dann auf Spanisch mitteilten, setzte sich die gesamte Traube, die sich inzwischen um die Haltestelle versammelt hatte, in Bewegung und trabte uns hinterher.

Im Bus Nummer 1 wollte die Frau natürlich wissen, was ich in Cádiz mache und warum mein Spanisch so gut sei. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft wurde mir vor Augen gehalten, welchen Traum ich gerade tatsächlich lebe. Mir wurde schlagartig die Möglichkeit bewusst, für ein halbes Jahr eine tolle Stadt direkt am Meer bei sommerlichen Temperaturen erkunden zu können. Sowas ist keine Selbstverständlichkeit! Von einem schlechten Start lasse ich mir von nun an nicht mehr die Motivation rauben. 

 
Im Zentrum angelangt waren alle Zweifel, ob ich mich in Cádiz einleben könnte, augenblicklich besiegt. Die Altstadt ist wunderschön! Es gibt viele von Palmen flankierte Alleen. Kleine verwinkelte Gässchen wechseln sich mit größeren Plätzen ab, welche von wunderschönen Hausfassaden ummauert werden. Der Baustil ist faszinierend man kann ständig etwas Neues entdecken: Sei es eine hübsche Statue, eine Open-Air-Zumba-Tanzgruppe oder ein architektonisch-interessantes Gebäude. Die Deutsche aus dem Bus brachte mich noch gemeinsam mit ihrem Mann ein Stück weit in meine Richtung, bevor ich mich dankbar verabschiedete.



Gut gelaunt begutachtete ich das erste Zimmer, welches keine 5 Laufminuten von meiner Fakultät entfernt liegt. Ich wurde von einer netten älteren Dame und ihrer Freundin empfangen, anschließend noch zum Kaffeetrinken eingeladen und plauderte kurz mit ihnen. Gerne kann ich wiederkommen, meinten sie, selbst dann, wenn ich das Zimmer nicht nehmen sollte.
Danach lief ich zügig in Richtung der Strandpromenade an der südlichen Stadtmauer, um mich mit Pilar und Susann, die auch in Jena studiert und letztes Wintersemester an die Universidad de Cádiz gegangen war, zu treffen. Vorbei kam ich dabei an meiner zukünftigen Fakultät, die sich in einem riesengroßen, ehrwürdigen Gebäude befand vorbei, blieb aber trotz meiner Eile, kurz bewundernd stehen und staunte nicht schlecht. Solche Bauden hat Jena seinen Studenten nicht zu bieten! Ganz zu schweigen von der Strandnähe.



Zusammen mit Pilar, Susann und ihren Eltern spazierten wir die malerische Strandpromenade entlang, die in beide Richtungen einfach nur schön aussah: Im Osten erstreckt sich ein großer Sandstrand, der von einer Reihe von Hochhäusern umsäumt wird, schließlich mit den Stadtmauern abgegrenzt und von der wunderschönen Kathedrale, dem Wahrzeichen von Cádiz, abgelöst wird. Der Blick in die andere Himmelsrichtung ist nicht weniger eindrucksvoll, denn in den Ozean hinein erstrecken sich zwei Festungen: „Castillo de San Sebastián“ und auf der anderen Seite der kleinen Bucht befindet sich „Castillo de Santa Catalina“.


Die untergehende Sonne begleitete uns auf unserem Spaziergang entlang der Küste, vorbei am Parque Genovés, der mich mit einem Tunnel begeisterte, von dessen Öffnungen aus man zwischen Wasserfällen hindurch den Rest des Parks in Augenschein nehmen konnte. Obwohl Pilar und ich uns von den anderen verabschiedet hatten, weil sie müde war und nach Hause wollte, zeigte sie mir dennoch eifrig einige Orte, die sie an der Stadt besonders liebte und wurde dadurch umso munterer. Ihre Art und Weise mir von Cádiz zu erzählen, bestätigte mich nur noch mehr, dass dieser Ort genau der richtige für einen Erasmusaufenthalt ist. Begeistert hing ich an ihren Lippen und war sehr dankbar, dass sie sich die Zeit für mich nahm.




Gemeinsam gingen wir zur nächsten Wohnung. Meine momentane Glückssträhne hielt offensichtlich an, da sogar ein Mitbewohner in der WG war, obwohl ich den Vermieter, der unterwegs war, nicht mehr erreicht hatte. Die Tatsache, dass man auf das Hausdach hinaufgehen kann, welches einen fantastischen Blick über die komplette Altstadt zu bieten hat, fällte meine Entscheidung. „Hier will ich wohnen!“, das wusste ich sofort. Da er noch nichts von meinem Besuch erfahren hatte, staunte der Vermieter nicht schlecht, als ich ihm per Whatsapp mitteilte, dass ich umgehend in das Zimmer einziehen will. Am Montag ist mein tolles Zimmer dann einzugsbereit.



Abends aßen Pilar und ich spanische Empanadas gemütlich im Wohnzimmer und schauten spanisches Fernsehen. Ein super gelungener zweiter Tag!

Aufbruch ins neue Leben - Spanien

15.09. - Ankunft in Cádiz



In aller Frühe: Meine Eltern und meine beste Freundin Pia verabschiedeten mich am Dresdner Flughafen. Über Pias Erscheinen war ich trotz ihrer vorherigen Zusicherungen ehrlich gesagt doch ein wenig überrascht, denn Frühaufsteherin ist sie gewiss nicht. Es folgten ein paar aufmunternde Worte, die mir mit auf den Weg gegeben wurden, und kräftige Umarmungen bevor ich mich umdrehte und meinem neuen Abenteuer entgegenblickte.


Wer davon ausgeht, dass Abenteuer nur Positives an sich haben, blendet die andere Hälfte des Zweifels und der Hindernisse einfach aus. Zu guter Letzt gibt es da noch die Unsicherheit, die mir wenigstens teilweise durch eine Nachricht am Vortag genommen wurde. (Seit Monaten hatte ich mein Zimmer sicher und alles abgesprochen, doch plötzlich erreiche ich meine Vermieterin Pilar seit über einer Woche nicht mehr – am Donnerstag jedoch kam schließlich eine überraschte Rückmeldung: „Ach Julia! Ich habe gar nicht mehr mit deiner Ankunft gerechnet. Wann kommst du denn morgen an?“)

Ein mulmiges Gefühl bei der ganzen Anreise machten mir nicht nur die Flugverspätungen (1. Flug von Dresden nach Düsseldorf 20 Minuten, 2. Flug von Düsseldorf nach Jerez de la Frontera 1 Stunde zu spät), sondern auch die Tatsache, dass Google Maps mir keine Zugverbindung im Zeitraum von 13 Uhr bis 19 Uhr (meine geplante Ankunft 13:55) mitteilen wollte. Nun stand ich ahnungslos am Flughafen, endlich wohlbehalten in Cádiz angekommen und sah zu, wie ein Mann einfach meinen Koffer vom Gepäckband nahm und ihn inspizierte. Ich brachte noch ein: „Der gehört mir!“ hervor und verschwand mitsamt meinem Koffer, bevor er reagieren konnte. Nächste Herausforderung nach dem Zugticketkauf war es, den richtigen Zug tatsächlich ausfindig zu machen: Richtung Cádiz hörte sich erstmal richtig an.

Theoretisch sollte der Zug (nachdem ich mehrmals Einheimische fragte, ob denn der Zug zu meinem Ziel fahre und sie dies mehrfach bejahten) auch an meiner Station Estadio halten. Vorbeifahren tat er tatsächlich, nur eben halten nicht, weshalb ich mich am Hauptbahnhof wiederfand und ein paar Stationen mit einem anderen Zug die gleiche Strecke zurückfahren musste. Mission accomplished – endlich war ich an meiner Station! Nachdem ich die zwei schweren Koffer die Treppe allein hochgehievt hatte, weil die Rolltreppe gerade auf meiner Seite kaputt war, stellte ich fest, dass es einen Fahrstuhl in der Station gab. „Aber was soll’s!“, dachte ich. „Das trainiert die Armmuskeln und gleich bin ich ja da: Ich komme an, treffe meine nette Vermieterin Pilar, die mir mein niedliches kleines Zimmer, mit einer Tür zum Balkon mit Blick aufs Meer, zeigen wird.“

Blick vom Balkon - hinten links ist das Meer
Pustekuchen! Die Realität sah so aus: Ich komme an (schaue mich gleich nach dem Fahrstuhl um, der glücklicherweise vorhanden ist) und ein Mädchen macht mir die Tür auf. Es stellte sich raus, dass sie die Tochter der Vermieterin ist, die mir kurz die Wohnung zeigt, bevor sie wegmuss. Mein Zimmer ist klein und hat keinen Zugang zum Balkon und durch die Fenster hört man jeden der unzähligen kläffenden Hunde aus dem Innenhof. Als wäre es nicht düster genug im Zimmer, ist die Deckenlampe kaputt. Doch nicht nur meine, sondern auch die Deckenlampe im Bad und in der Küche. Die Wohnlage ist meilenweit weg von der Uni, das Meer kann man vom Minibalkon hinter den anderen Hochhäusern nur erahnen und in dem Zimmer, was ich gerne gehabt hätte, wohnt eine besagte Katja, die nun mal eher als ich da war. 
Pech gehabt!
Geknickt antwortete ich noch ein paar Nachrichten von Leuten, die wissen wollten, ob ich gut angekommen bin und wie es mir denn in meinem neuen zu Hause gefallen würde.


Das dunkle Zimmer. Noch lasse ich Sachen im Koffer.

Zum Glück bin ich keine Person, die lange trauert, sondern recht schnell tatkräftig wird, um das Beste aus einer Situation zu machen. Katja kam kurze Zeit später nach Hause. Ich bat sie, mit mir Lebensmittel einkaufen zu gehen. Nahrung reicht erstmal aus zum Überleben. Bis auf die Tatsache, dass Katja mein Zimmer hat, ist sie eine freundliche Person und ich freue mich einen ersten Kontakt hier zu haben. In dem tristen Heim also der zweite Mensch, mit dem man sich unterhalten kann.
Jetzt muss ich nur noch etwas an meiner Wohnungssituation ändern. Den ganzen Rest des Abends verbringe ich damit, attraktive Angebote aufzuspüren und finde trotz des Lärms, der durch den Innenhof in mein Zimmer dringt, irgendwann den Weg in die Welt der Träume.

 Die positive Hälfte meines Abenteuers erwarte ich sehnsüchtig!