Donnerstag, 8. September 2016

Schon ein Monat ist vorbei




Auf dem Weg nach Hause

Die Zeit hier vergeht wie im Flug. Die vorletzte Woche kettete mich eine fette Erkältung an mein Bett, die wahrscheinlich der Abwesenheit einer Heizung in meinem Zimmer verschuldet ist. Jetzt rückt aber der Frühling näher und die Tage werden wärmer. 



















Die Landschaft um mich herum wird zunehmend mit bunten Farben geschmückt und die schönen Blumen motivierten mich ein paar Fotos während meiner Streifzüge zu schießen. Neue Leute in der Uni kennen zulernen ging ziemlich schnell. Ich bin schon bei mehreren Kommilitonen zu Hause eingeladen worden. Da merkt man einen extremen Unterschied zu Japan, denn dort lernt man so gut wie nie die Wohnung von Leuten kennen, die man kaum kennt.

Obwohl ich mir zum Spanisch-Lernen ein Notizbuch auf meinem Handy angelegt habe, geht es nicht so schnell voran, wie ich es mir wünschen würde. Während mich die vielen Texte, die ich zu lesen habe, ziemlich einspannen, finde ich gar nicht viel Zeit etwas mit meinen neuen Freunden zu machen. Doch muss ich mir eingestehen, dass ich mein Vokabular erweitere und mein Textverständnis sich zunehmend verbessert. So habe ich all meinen Mut zusammengenommen und in der vorletzten Stunde das erste Mal im Unterricht die Stimme erhoben, um mitzuarbeiten.

Mittlerweile kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, wie es sich ohne Mate-Trinken während des Unterrichts lernt. Mir gefällt der soziale Akt, dass man den Mate-Behälter mitsamt dem dazugehörigen Bombilla (Strohhalm aus Metall oder Holz) und Mate-Blättern in der Runde herumreicht und nacheinander genüsslich dran nippt. Was mir zuerst etwas eigenartig erschien, wurde schnell zur Gewohnheit. Es gibt auf unserem Campus sogar einen Automaten, dem man kostenlos heißes Wasser entnehmen kann (sozusagen die argentinischen Trinkwasserbrunnen). Demnächst werde ich mir eine Thermoskanne kaufen!


So desinteressiert wie ich an deutscher Geschichte war, fasziniert mich die argentinische. Gespannt folge ich dem Geschichtsunterricht in dem Fach Historia económica y social Argentina. Bisher habe ich viel zum Thema der Wirtschaftskrisen, zum Umweltschutz und zur Politik des ersten Peronismus gelernt. Trotzdem schiebe ich Panik vor jedem Freitag, weil wir da immer 10-Minuten-Zwischentests schreiben. Letzten Freitag begann die Professorin die Aufgaben eine Minute vor Unterrichtsschluss zu diktieren. (Und da war sie hin: die stille Hoffnung einem Test dieses Mal zu entkommen). Als ich erfuhr, dass ich meinen ersten Zwischentest schon mal bestanden hatte, war ich überglücklich. Mich entspannt zurückzulehnen fällt dennoch schwer, wenn man bedenkt, dass bald die Vorklausuren geschrieben werden, die sich schwer auf die Endnote auswirken.

Ganz schön viele auf einmal, oder?

Es ist nicht lange her, dass ich in einem Kaufhaus mit einem Kumpel war, um Lebensmittel einzukaufen. Nichtsahnend stiefelte ich durch die Eingangstüren und wurde sogleich vom Personal an der Infotheke gestoppt. Nach dem vergeblichen Versuch meine Tasche mit einem Schloss zu versiegeln, auf dass ich ja nichts unbemerkt aus dem Laden mitgehen lassen könnte, wiesen sie mich darauf hin, dass ich sie doch in eins der Schließfächer im Außenbereich deponieren sollte. Das nächste Erlebnis war das Kassiersystem des riesenhaften Einkaufskomplexes, in dem es von Technik über Klamotten bis hin zu Mülltonnen so gut wie alles gab. Am Eingang erhielten wir einen Buzzer, den man eigentlich gleich am Anfang an ein Gerät in Kassennähe hätte halten müssen, und das bevor man sich im Einkaufsparadies auf Schatzsuche begibt. Nun wusste das mein Kumpel genauso wenig wie ich, weil auch er neu in der Stadt ist und wir durften uns (nachdem wir alles gefunden hatten und wie gewohnt zur Kasse gingen) die Wartezeit von einer halben Stunde damit vertreiben weitere Produkte zu bestaunen, bevor unser Buzzer sich bemerkbar machte und seine Nummer an einer Kasse aufleuchtete. Als Fazit weiß ich, dass ich in diesen Laden nur noch im Notfall gehen werde, denn wir bezahlten ein ganzes Vermögen für die wenigen Sachen, die wir kauften.

Ein Fleck in der Landschaft...

In den letzten Wochen habe ich gelernt zu schätzen, was der deutsche Staat seiner Bevölkerung bietet. Wir können wirklich stolz auf unseren Umweltschutz sein und dass die Regierung in die Entwicklung erneuerbarer Energien steckt. So staunte ich an einem Nachmittag nicht schlecht, als mir auf dem Heimweg ein Haufen auffiel, der sich noch keine zwei Tage dort befinden konnte. 
Einer von den Künstlern, die bei
roten Ampeln plötzlich auftauchen
(Das ist mir nicht entgangen, weil ich vor einer Weile von exakt der Stelle, wo sich nun der riesige Stapel befand, stand und ein Foto der Stadt geschossen habe). Wenn ich von der Uni nach Hause laufe, muss ich eine große Straße überqueren, die mir kaum Luft zum Atmen lässt. Die Luftverschmutzung ist spürbar hoch. So etwas wie Plaketten auf der Windschutzscheibe und Zonen, in denen die Feinstaubbelastung reduziert werden sollen, habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Dafür habe ich erst heute wieder einen kleinen Jungen gesehen, der versucht hat mir etwas zu verkaufen, während ich mit meiner Betreuerin Cristina in einem Café saß.


Letzten Sonntag bin ich auf dem „feria del libro“ (Fest des Buches) im Stadtpark gewesen, wo ein großes Zelt mit vielen Ständen aufgebaut wurde, die verschiedenste Bücher verkauften. Ich leistete einer Kommilitonin mentale Unterstützung, da sie Textpassagen eines Werkes einer lokalen Autorin vortrug. Anschließend schlenderten wir noch ein wenig durch die Buchreihen (insofern das bei den Menschenmassen überhaupt möglich war) und tranken anschließend gemütlich Mate auf der Wiese im Park. Und wieder einmal lernte ich, dass man hier trotz Unpünktlichkeit genau im richtigen Moment auftauchen kann. Laut Ana, meiner Kommilitonin, sollte die Lesung um 16 Uhr beginnen. Da Flo (eine andere Kommilitonin) mich allerdings erst gegen 16:30 Uhr mit dem Auto abholte, hatte ich schon ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich vermutete, dass wir genau dann ankommen würden, wenn Ana gerade fertig werden würde. Jedoch kamen wir genau zu der Zeit an, wo Ana anfing die Autorin und das Buch vorzustellen. Was für ein Timing!


Bedingt dadurch, dass ich von der Uni genötigt werde, habe ich wieder angefangen viel zu lesen. Sehr interessant fand ich die Chroniken von der „Entdeckung von Amerika“ durch Cristobal Colón (Kolumbus). Auch wenn sich die Lektüre aufgrund meines mangelhaften Vokabulars etwas schwieriger darstellte, war es doch aufschlussreich, einen Einblick in damalige Weltansichten zu bekommen. Alles ist sehr anschaulich erfasst: von paradiesischen türkiesen Lagunen bis hin zu detaillierten Beschreibungen über die Ureinwohner. Ein Lese-Tipp sind die Bücher von Inca Garcilaso de la Vega, einem Mestizen, der die Kultur der Inka in Peru in mehreren Bänden zu Papier bringt.

Bunte Baumstämme