Da die letzten Wochen stressig waren, gönnte ich mir über
das verlängerte Wochenende eine wohlverdiente Pause und zog mich in die
einsamen Berge zurück. Am Freitag holten mich Juli und ihr Freund Agustín ab
und wir fuhren zum Wochenendhäuschen von Julis Familie am See Alumine.
Das ist
das erste Mal, dass ich eine größere Reise in der Provinz Neuquén unternahm.
Während rund um die Städte viel Müll verteilt war und wir während einer Pause
ein Spiel machten, bei dem man unterschiedliche Gegenstände mit Steinen treffen
musste, waren die Landschaften, die in der Nähe der Berge lagen, wesentlich
sauberer. Es erfreute mein Herz zu sehen, dass die verlasseneren Gebiete bisher
noch nicht von Müllbergen verschandelt werden.
Von den einsamen Reifen gibt es eine Menge. Sie werden von den Gauchos benutzt, um die Pferde anzuleinen. |
Während der Fahrt blickte ich auf unendliche Weiten und
fühle mich ausgelassen und frei. Wir flogen über die Landstraßen (ich hatte
eigentlich nicht angenommen, dass man so schnell fahren kann; mir wurde
erklärt: können schon – dürfen eigentlich nicht) und ich bewunderte die sich
langsam abwechselnde Landschaft. Solche Weiten habe ich noch nie gesehen oder
zumindest erinnere ich mich nicht mehr so deutlich daran. Es kann sein, dass
ich in Texas auch ähnliche Bilder vor Augen hatte. Jedoch tauchten bei der
argentinischen Landschaft nach einer Weile Berge mit schneebedeckten Kuppen
auf: Die Anden erblickte ich zum ersten Mal. Je mehr wir uns den Bergen
näherten, desto grüner wurde es um uns herum. Wir bewunderten Schafherden,
argentinische Rinder und Pferde. Auf der Rückfahrt vorgestern habe ich sogar
einen Gaucho, einen argentinischen Cowboy, auf einem Pferd am Straßenrand
entlangreitend gesehen.
Die Hütte von innen |
Doch nichts bisher überwältigte mich mehr als den See
Alumine zu sehen. In Villa Perhuenia angekommen, wo das sich das Ferienhaus von
Juli befand, stellte ich wieder einmal fest, wie sehr der europäische Baustil
Einfluss auf Argentinien genommen hatte. Die Hütten, die ich sah, glichen dem
Bild, was ich im Kopf habe, wenn ich an Finnenhütten denke. Es ist schon, was
mich für ein Gefühl von Heimat bei den vielen Nadelbäumen überkam. Eine Sache
gab es jedoch, die meine Gedanken wieder auf das argentinische Festland
zurückrief: Die Araukarien.
Diese Pflanzen sind prähistorische Bäume und haben
angeblich schon vor den Dinosauriern ihre Wurzeln auf der Erde geschlagen. Ihre
Blätter sind einmalig und gleichen Haifischzähnen, die eng beisammenstehend
rund um den Ast wachsen. Die Araukarien sind dunkelgrün, wenn man weiß, dass
man nicht gegen die Wuchsrichtung über ihre Äste streichen sollte, ungefährlich
und nach meinem Empfinden wunderschön anzusehen.
In der niedlich eingerichteten Ferienwohnung hatte ich kein
Internet und konnte seit langer Zeit endlich richtig abschalten und mich auf
die Natur konzentrieren. Ich habe gemerkt, wie befreiend so etwas sein kann. Am
Sonntag machten wir ein Picknick am Strand des Sees und machten es uns auf
Liegestühlen gemütlich und paddelten in Kanus auf dem See umher. Bei 16° im Sonnenschein (obwohl der Wetterbericht Regen
angesagt hatte) traute ich mich sogar für einige Sekunden ins eisige Wasser. Es
war sehr kalt, aber erfrischend.
Julis Familie und ich am See |
Kaum zu glauben ist es, doch zum ersten Mal nahm ich ohne
Zwang (der Uni) ein Buch auf Spanisch in die Hand, fing an zu lesen und legte
es nicht nach den ersten 2 Seiten wieder weg. Das habe ich wohl Juli zu
verdanken, die vorhatte ihre alten Bücher der Bibliothek zu spenden, sich aber
vorher bei mir erkundigte, ob mich nicht eins davon interessieren würde. Jetzt
habe ich es schon zur Hälfte durchgelesen und verstehe relativ viel vom Inhalt.
Selbst wenn es mir Anstrengungen bereitet den Konversationen meiner
Kommilitonen zu folgen, muss ich doch zugeben, dass ich stolz auf meine
sprachlichen Fortschritte sein kann. Zwei von drei Zwischenprüfungen hab ich sogar bestanden.
Heute fiel die letzte Stunde in Literatur aus. Ich habe
nicht genau verstanden warum und fragte Juli. Sie teilte mir mit, dass wir
keinen Unterricht aufgrund des Windes hätten. Als ich anfing zu lachen, beteuerte
sie, dass dies kein Scherz war. Prompt bekam ich das auf dem Heimweg auch zu
spüren. Fast wurde ich weggepustet. Die Winde hier darf man nicht
unterschätzen!