Sonntag, 7. August 2016

Patagonien - Neuquén



Für mich ging es gestern (Samstag) in das geheimnisvolle Patagonien. Gleich zu Beginn merkte ich, dass die Mythen zu stimmen scheinen. Zwar sind es momentan nur ca. 10°C weniger als in Buenos Aires, aber mir wurde auch schon mitgeteilt, dass es sich gerade um schönes, warmes Wetter handle (wir reden hier von ca. 7° um die Mittagszeit und kühlen, stärkeren Winden). Ich hatte mich auf milderes Wetter eingestellt, da mir mitgeteilt wurde, dass in Neuquén äußerst selten Schnee läge. Meine falsche Schlussfolgerung formt sich ohne Wissen über die niedrigen Niederschlagsraten (wie gesagt: Wüste) und ungeachtet dessen, dass Schnee gewöhnlich bei Temperaturen rund um 0°C und selten bei Minusgraden im höheren Bereich fällt.


Ich war bestimmt nicht ganz so aufgeregt wie damals Charles Darwin, als auch mit 22 Jahren an einer Expedition an einer von Robert Fitz Roy geleiteten Exkursion in diese Region teilnahm. In Neuquén wurde ich freundlich von Cecilia in Empfang genommen, die Tochter meiner Kontaktperson. Davon hatte mich zuvor niemand informiert und ich bin froh, dass ich nicht gleich mit „Hola Cristina!“ auf sie zuging. Von ihr wurde ich direkt zu meiner künftigen Unterkunft gebracht. Ich wohne nun in einem niedlichen, Häuschen, welches direkt auf dem Berg in der Nähe von der Uni ist. 


Das Häuschen, in dem ich mein Zimmer habe, ist nicht mehr das neuste, aber bewohnbar. Ein paar Dinge zeigen sich etwas problematischer: 
die Waschmaschine, das Türöffnen, den Schrank oder das Fenster zu schließen, die Gardine zur Seite zu ziehen und das Bett zu verrücken. All dies sind Dinge, die man in Deutschland meist ohne, dass es der Rede wert wäre, bewältigen kann, aber mich hier teilweise auf die Probe gestellt haben. So wurde meine Wäsche zum Beispiel Opfer der Windböen und fand sich zur Hälfte auf dem Erdboden im Garten verteilt wieder (noch nicht komplett trocken, weil die Waschmaschine streikt, wenn ihr man mehr als 3 Teile zumutet). 

Als ich mein Zimmer umräumen wollte, brachte ich neben der Gardinenstange auch noch das Bett zu Fall. Ein Freund, dem ich alles berichtete, fragte mich daraufhin, ob ich versuchen würde als Deutsche einen guten Eindruck zu machen, indem ich zuerst alles zerstöre und dann mit viel Hingabe repariere. 
Meine Vermieterin Margarita begrüßte mich gleich mit einem Mittagessen. Es gab Schnitzel mit Salat und Brot. Wie ich es schon gewohnt bin, war auch sie gastfreundlich und gesprächig. Ich habe das Gefühl, dass, wenn ich nicht reinrede, kaum zu Wort zu kommen. Zumindest hat sie mir bis jetzt ständig etwas zu erzählen und scheint froh über meine Gesellschaft zu sein. Kurz bevor ich das Haus verlassen wollte, bekamen wir unerwartet Besuch von Cristina und ihrem Mann, die mich beide kennenlernen wollten. An die Spontanität muss sogar ich mich erstmal gewöhnen.
Abends inspizierte ich ein wenig die Gegend und schaute nicht schlecht, als ein paar junge Leute im Auto an mir vorbeizogen, und das wohlgemerkt mit offenem Kofferraum, aus dem eine Person eine Schubkarre hinter dem Wagen herzog. Was man ihnen lassen muss: Die Warnblinkanlage war eingeschaltet.
Heute lebte ich nach den erlebnisreichen Ereignissen etwas in den Tag hinein und wollte mich entspannen bevor die Uni morgen beginnt. Aber wer mich kennt, der weiß, dass dies nur bei einem guten Vorsatz blieb, denn von Beginn des Nachmittags an, war ich außer Haus. Cristina holte mich ab und zeigte mir kurz das Unigelände, wo wir außer ein paar streunenden Hunden auch noch ein paar Leute in meinem Alter beobachteten, die sich einen Wettbewerb mit Fahrrad-Stunts lieferten. Nachdem ich einen ersten Eindruck vom Campus der Uni erhascht hatte, genoss ich einen atemberaubenden Blick über die unendlichen Weiten vom Parque Norte aus. Das bombastisch gute Wetter lockte massenhaft Leute auf die Straßen und in die städtischen Parks. Da war echt viel los!


Im Anschluss bei Cecilia abgeliefert, ging es auf einen Stadtspaziergang bei dem sie mir die Hauptstraße Av. Argentina zeigte und erklärte, dass die rundum im Schachbrettmuster angelegten Straßen von dort ausgehend nummeriert werden. Und da sagt man, dass Deutschland ein geordnetes Land sei! Hier ist alles so durchgeplant, dass man die Entfernungen verlässlich in Straßenblocks angeben kann.





Genau wie in Buenos Aires fühle ich mich auch hier zunehmend wohler. Hier gibt es neben den Bergen, auf denen ich zu Hause bin und einen super Ausblick habe, auch einen Fluss, an dessen Ufern man entspannt entlang spazieren kann. Und das Beste kommt noch: Direkt neben dem Fluss, der übrigens nach der Stadt benannt wurde, werden Churros verkauft! Churros (siehe Foto) sind leckere Teigstangen, die hier mit dulce de leche (einer Karamellcreme) gefüllt werden. Jetzt habe ich einen Gewissenskonflikt: Was ist besser Churros oder Donuts???
Nachdem wir am Fluss spazieren waren, rief Cecilia ihre Freundin Veronica an, die auf dem Weg nach Hause lag und wir schneiten bei ihr kurz noch auf einen Mate-Tee vorbei. Es ist so, wie mir schon vorher berichtet wurde: Die Teeblätter werden zusammen mit heißem Wasser in ein Gefäß eines ausgehölten Kürbis‘ gegeben, welcher dann aus einem Metallstrohhalm getrunken und unter allen Beteiligten umhergereicht wird. Als wir uns nett unterhielten, ging auf einmal ein Alarm im Nachbarhaus (dem Haus von Veronicas Eltern) los, was aber niemanden zu stören schien. Stattdessen sorgte ihr anderer Nachbar, der anscheinend irgendwie in ihrem Garten wohnte, kurz dafür, dass der Alarm wieder Ruhe gab. Ungefähr eine viertel Stunde später erlebten wir das gleiche Spektakel noch einmal von vorn. Auf meine Frage hin, warum denn der Alarm ständig angehe, kam ein Schulterzucken und der Kommentar, dass es vielleicht am Wind läge. Wer weiß?
Für die kurze Zeit bisher, habe ich ganz schön viele Leute kennengelernt, wie zum Beispiel später am Abend Cecilias Oma. Ihr war sowohl bewusst, dass Dresden im zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurde, als auch, dass die alten Steine der Frauenkirche bei ihrem Wideraufbau erneut verwendet wurden. Mich erstaunte, dass jemand, der so weit weg wohnt und noch nie in Dresden war, Kenntnis davon besitzt. Ich bin gespannt, wem ich auf meiner Reise noch begegnen werde und schon ganz neugierig wie morgen der erste Tag in einer argentinischen Uni verlaufen wird.


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