Patagonien - Neuquén
Für mich ging es gestern (Samstag) in das geheimnisvolle Patagonien. Gleich zu Beginn merkte ich, dass die Mythen zu
stimmen scheinen. Zwar sind es momentan nur ca. 10°C weniger als in Buenos
Aires, aber mir wurde auch schon mitgeteilt, dass es sich gerade um schönes,
warmes Wetter handle (wir reden hier von ca. 7° um die Mittagszeit und kühlen,
stärkeren Winden). Ich hatte mich auf milderes Wetter eingestellt, da mir mitgeteilt
wurde, dass in Neuquén äußerst selten Schnee läge. Meine falsche Schlussfolgerung formt sich ohne Wissen über die niedrigen Niederschlagsraten (wie gesagt:
Wüste) und ungeachtet dessen, dass Schnee gewöhnlich bei Temperaturen rund um
0°C und selten bei Minusgraden im höheren Bereich fällt.
Ich war bestimmt nicht ganz so aufgeregt wie damals Charles Darwin, als auch mit 22 Jahren
an einer Expedition an einer von Robert Fitz Roy geleiteten Exkursion in diese
Region teilnahm. In Neuquén wurde ich freundlich von Cecilia in Empfang genommen, die Tochter meiner Kontaktperson.
Davon hatte mich zuvor niemand informiert und ich bin froh, dass ich nicht
gleich mit „Hola Cristina!“ auf sie zuging. Von ihr wurde ich direkt zu meiner
künftigen Unterkunft gebracht. Ich wohne nun in einem niedlichen, Häuschen,
welches direkt auf dem Berg in der Nähe von der Uni ist.
Das Häuschen, in dem
ich mein Zimmer habe, ist nicht mehr das neuste, aber bewohnbar. Ein paar Dinge
zeigen sich etwas problematischer:
die Waschmaschine, das Türöffnen, den
Schrank oder das Fenster zu schließen, die Gardine zur Seite zu ziehen und das
Bett zu verrücken. All dies sind Dinge, die man in Deutschland meist ohne, dass
es der Rede wert wäre, bewältigen kann, aber mich hier teilweise auf die Probe
gestellt haben. So wurde meine Wäsche zum Beispiel Opfer der Windböen und fand
sich zur Hälfte auf dem Erdboden im Garten verteilt wieder (noch nicht komplett
trocken, weil die Waschmaschine streikt, wenn ihr man mehr als 3 Teile
zumutet).
Als ich mein Zimmer umräumen wollte, brachte ich neben der Gardinenstange
auch noch das Bett zu Fall. Ein Freund, dem ich alles berichtete, fragte mich
daraufhin, ob ich versuchen würde als Deutsche einen guten Eindruck zu machen,
indem ich zuerst alles zerstöre und dann mit viel Hingabe repariere.
Meine Vermieterin Margarita
begrüßte mich gleich mit einem Mittagessen. Es gab Schnitzel mit Salat und
Brot. Wie ich es schon gewohnt bin, war auch sie gastfreundlich und gesprächig.
Ich habe das Gefühl, dass, wenn ich nicht reinrede, kaum zu Wort zu kommen.
Zumindest hat sie mir bis jetzt ständig etwas zu erzählen und scheint froh über
meine Gesellschaft zu sein. Kurz bevor ich das Haus verlassen wollte, bekamen
wir unerwartet Besuch von Cristina
und ihrem Mann, die mich beide kennenlernen wollten. An die Spontanität muss
sogar ich mich erstmal gewöhnen.
Abends inspizierte ich ein wenig die Gegend und schaute
nicht schlecht, als ein paar junge Leute im Auto an mir vorbeizogen, und das wohlgemerkt
mit offenem Kofferraum, aus dem eine Person eine Schubkarre hinter dem Wagen
herzog. Was man ihnen lassen muss: Die Warnblinkanlage war eingeschaltet.
Heute lebte ich nach den erlebnisreichen Ereignissen etwas
in den Tag hinein und wollte mich entspannen bevor die Uni morgen beginnt. Aber
wer mich kennt, der weiß, dass dies nur bei einem guten Vorsatz blieb, denn von
Beginn des Nachmittags an, war ich außer Haus. Cristina holte mich ab und zeigte
mir kurz das Unigelände, wo wir außer
ein paar streunenden Hunden auch noch ein paar Leute in meinem Alter
beobachteten, die sich einen Wettbewerb mit Fahrrad-Stunts lieferten. Nachdem ich einen ersten Eindruck vom Campus der Uni erhascht hatte, genoss ich einen atemberaubenden Blick über die unendlichen Weiten vom Parque Norte aus. Das bombastisch gute Wetter lockte massenhaft Leute auf die Straßen und in die städtischen Parks. Da war echt viel los!
Im Anschluss bei Cecilia abgeliefert, ging es auf einen Stadtspaziergang bei dem sie mir die Hauptstraße Av. Argentina zeigte und erklärte, dass die rundum im Schachbrettmuster angelegten Straßen von dort ausgehend nummeriert werden. Und da sagt man, dass Deutschland ein geordnetes Land sei! Hier ist alles so durchgeplant, dass man die Entfernungen verlässlich in Straßenblocks angeben kann.
Genau wie in Buenos Aires fühle ich mich auch hier
zunehmend wohler. Hier gibt es neben den Bergen, auf denen ich zu Hause bin und
einen super Ausblick habe, auch einen Fluss, an dessen Ufern man entspannt
entlang spazieren kann. Und das Beste kommt noch: Direkt neben dem Fluss, der
übrigens nach der Stadt benannt wurde, werden Churros verkauft! Churros (siehe Foto) sind leckere Teigstangen, die hier mit dulce de leche (einer Karamellcreme)
gefüllt werden. Jetzt habe ich einen Gewissenskonflikt: Was ist besser Churros
oder Donuts???
Nachdem wir am Fluss spazieren waren, rief Cecilia ihre
Freundin Veronica an, die auf dem Weg nach Hause lag und wir schneiten bei ihr
kurz noch auf einen Mate-Tee vorbei. Es ist so, wie mir schon vorher berichtet
wurde: Die Teeblätter werden zusammen mit heißem Wasser in ein Gefäß eines
ausgehölten Kürbis‘ gegeben, welcher dann aus einem Metallstrohhalm getrunken
und unter allen Beteiligten umhergereicht wird. Als wir uns nett unterhielten,
ging auf einmal ein Alarm im Nachbarhaus (dem Haus von Veronicas Eltern) los,
was aber niemanden zu stören schien. Stattdessen sorgte ihr anderer Nachbar,
der anscheinend irgendwie in ihrem Garten wohnte, kurz dafür, dass der Alarm
wieder Ruhe gab. Ungefähr eine viertel Stunde später erlebten wir das gleiche
Spektakel noch einmal von vorn. Auf meine Frage hin, warum denn der Alarm
ständig angehe, kam ein Schulterzucken und der Kommentar, dass es vielleicht am
Wind läge. Wer weiß?
Für die kurze Zeit bisher, habe ich ganz schön viele Leute
kennengelernt, wie zum Beispiel später am Abend Cecilias Oma. Ihr war sowohl bewusst,
dass Dresden im zweiten Weltkrieg komplett zerstört wurde, als auch, dass die
alten Steine der Frauenkirche bei ihrem Wideraufbau erneut verwendet wurden. Mich
erstaunte, dass jemand, der so weit weg wohnt und noch nie in Dresden war,
Kenntnis davon besitzt. Ich bin gespannt, wem ich auf meiner Reise noch
begegnen werde und schon ganz neugierig wie morgen der erste Tag in einer
argentinischen Uni verlaufen wird.
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