Samstag, 6. August 2016

Der Weg ins spannende Argentinien

Am Flughafen

In Frankfurt startete die Reise am Dienstagabend und führte mich über Madrid, wo ich Zeugin eines belustigenden Ereignisses wurde. Während ich auf den Flieger nach Buenos Aires wartete (laut Ansprache des Piloten nur eine „kleine Verspätung“ – übersetzt: eine Stunde länger!!!), ging ein spanischsprechender Mitarbeiter des Flughafens durch die wartenden Reihen und fragte, wer denn allein fliegen würde. Zum Glück hatte ich nicht sofort die Hand hoch gerissen und es wurde jemand anders zum Opfer der Attacke. Da der Flieger überbucht war, wurde nach einer Person gesucht, die erst morgen zur selben Uhrzeit fliegen würde.

Generelle Infos über Argentinien 

Wie du dir bei ca. 19 Stunden Reisezeit vorstellen kannst, hatte ich viel Zeit, mich mit meinem Reiseführer zu beschäftigen und schon einmal erste Eindrücke zu sammeln. Im folgenden Abschnitt gebe ich dir einen kleinen historischen Überblick über das Land, in dem ich die nächsten Monate verbringen werde.
Das spanisch-sprachige Argentinien befindet sich im Süden Lateinamerikas, was bedeutet, dass ich mich jetzt direkt in den dortigen Winter begebe. Dieser ist in der Hauptstadt Buenos Aires wohl eher das, was bei uns ein kühler Herbst wäre. In Patagonien wehen angeblich eisige Winde und es ist ziemlich kalt. Die hiesige Währung nennt man Argentinische Pesos. Hier kann man nur gegen eine relativ hohe Gebühr Bargeld abheben, deshalb empfehle ich dir Euroscheine mitzunehmen, die du dann hier umtauschen kannst.

Schon auf dem Flughafen fiel mir auf, dass die meisten Menschen, die nach Buenos Aires reisen ziemlich europäisch aussehen. Der Grund dafür: In den letzten beiden Jahrhunderten gab es mehrere Einwanderungswellen und das nicht nur aus Spanien, sondern auch aus Polen, Deutschland, Italien, Irland, der Schweiz und dem Nahen Osten.

Sagt dir der Name Juan Domingo Perón etwas? Er ist fast so eine wichtige Persönlichkeit der argentinischen Geschichte wie der Spanier Juan Díaz de Solís, der 1516 die Mündung des Paraná entdeckte und einen „Heldentod“ starb, als er zur Mahlzeit der Charrúa-Indianer wurde. Die zweite (fast genauso unglückliche) Unternehmung, wird von Pedro de Mendoza gestartet, welcher die gegründete Stadt aufgrund von Angriffen der Ureinwohner wieder aufgeben musste. Der Name Buenos Aires entstammt der heimatlichen Schutzpatronin (Nuestra señora del Buen Ayre). Erst ca. 50 Jahre später gelang die Gründung von Buenos Aires spanischen Streitkräften von Asunción aus. Jedenfalls ist Perón ein ehemaliger Präsident Argentiniens, der durch eine Militärdiktatur ab 1955 ins Exil nach Spanien gezwungen wurde. Trotzdem hat er es 1973 erneut an die Macht geschafft. Nach seinem Tod ein Jahr später konnte seine Frau sich allerdings nicht gegen die Gewalt des Militärs behaupten und es folgte wieder eine Militärdiktatur. Ein ganz schönes Chaos, oder?
Beim Krieg um die Falklandinseln, aus dem Großbritannien Anfang der 80er Jahre als Sieger hervorging, war das Militär erheblich geschwächt. Ab 1983 begann ein Demokratisierungsprozess und 20 Jahre später erlebte die Wirtschaft mit Präsident Néstor Kirchners Mitte-links-Regierung einen starken Aufschwung. Als seine Frau Cristina Fernández de Kirchner die Wahlen gewann, löste sie ihn 2007 ab. Seit Ende letzten Jahres gibt es eine neue Regierung, über die ich momentan aber noch nicht viel berichten kann. Als kleine Geschichtsstunde reicht das erstmal!


Ankunft

Gut angekommen war ich Mittwochmorgen am EZE-Flughafen, der südlich von der Stadt Buenos Aires liegt. Dank Agustín war die Ankunft sehr entspannt, da ich den Luxus genoss, mit dem Auto abgeholt zu werden. Ich konnte es kaum erwarten das Land endlich „life“ zu erleben, nachdem ich herzlich von Agustíns Familie in Empfang genommen wurde. Sogar Carla, seine Schwester, die schon ausgezogen ist und mir ihr Zimmer überließ, lernte ich per Skype am Frühstückstisch kennen (dass sie eigentlich gerade auf Arbeit war, sprach einer kleinen Unterhaltung nicht entgegen). Nach einer kleinen Führung durch sein niedliches Häuschen, in dem ich mich die nächsten Tage aufhalten würde, bewegten wir uns in die Stadt wie normale Porteños (übersetzt Hafenbewohner – so wie sich die Leute aus Buenos Aires nennen): Mit dem tren (Zug) und der subte (U-Bahn). Was mich besonders fasziniert, sind die wunderschön gestalteten Mosaike und Kunstwerke, die sich an den Wänden der Untergrundpässe entlangziehen. 
Mir gefällt die künstlerische Vielfalt der Stadt: Selbst, wenn es viele heruntergekommene Gebäude gibt, so werden sie in eine bunte Hülle gepackt und zu wahren Schätzen (zumindest für Menschen wie mich, die sich für Malerei und Graffiti begeistern). 
Ganz entgegen meiner anfänglichen Erwartungen, sah ich viel Reichtum in der Stadt. Dies lag aber vor allem daran, dass ich die ersten beiden Tage nur die wohlhabenden Gegenden zu Gesicht bekam. Die Menschen, die in den öffentlichen Verkehrsmitteln Sachen zu verkaufen versuchten und der Junge, der um Essen bettelte, entsprachen da schon eher dem, was man aus Erzählungen über die soziale Spaltung des Landes hört. Kein Wunder also, dass man von allen Argentiniern, die es gut mit einem meinen und mit Europäern Erfahrung haben, darauf hingewiesen wird, unbedingt auf seine Sachen aufzupassen. So wechselten wir zum Beispiel den Wagon in der U-Bahn mit der Begründung, dass sich im vorigen Abteil eine verdächtige Person befand. Man kann beobachten, dass alle Passagiere ständig ihre Tasche im Blick haben (was ein extremer Unterschied zu Japan ist, wo die Leute ein gemütliches Nickerchen während der Fahrt halten).

Was mich am meisten an Buenos Aires verwunderte, war wohl der Baustil. Ich hatte zwar gelesen, dass sich die Stadt im Vergleich zum Rest von Lateinamerika sehr europäisch gibt, doch dass alles so enorm französischen oder spanischen Gebäuden gleicht, hätte ich nie gedacht. Zugegeben: Ich beziehe mich hier auf die Gebäude, die Straße Av. De Mayo flankieren und solche im Stadtteil von Recoleta, wo ein zweites Paris geschaffen wurde. Hier haben sich europäische Architekten ausgetobt. 
Zu meinem Erstaunen liegt die Metropole übrigens nicht am Meer, sondern nahe der Mündung des gigantischen Flusses Río de la Plata (da man das andere Flussufer nicht erkennt, kommt es einem vor, als befände man sich an den großen Weiten des Ozeans).


Am ersten Tag gab mir eine zweistündige Stadtführung einen Überblick über einen Großteil der Hauptsehenswürdigkeiten im Zentrum, wie zum Beispiel: Parlament, Palacio Barolo, und Casa Rosada
Die Endstation war Plaza de Mayo, wohl einer der geschichtlich bedeutendsten für Argentinien. In nicht zu großer Vergangenheit versammelten sich hier die Mütter der desaparecidos (der Verschwundenen) während der Zeit der Repression. Aufgrund des Verbotes von Demonstrationen auf den Platz, marschierten sie in einem großen Kreis um den Platz herum. Auf dem Boden erinnern die in Kreisform um die zentrale Säule in Stein gefassten Kopftücher an die Protestmärsche. Noch heute finden jeden Donnerstag Versammlungen statt.

Abends tischte die kochbegabte Mutti von Agustín Sorrentinos auf, was ein typisches argentinisches Gericht ist, welches großen Tortellini gleicht. Ein Genuss! Ich glaube, dass ich ein neues Lieblingsessen gefunden habe.

Am zweiten Tag ging es lecker weiter: Es gab Facturas, süßes Blätterteiggebäck in unterschiedlichsten Formen. Sind in Deutschland Privathäuser, die alarmgesichert sind, üblich? Da ich sowas nicht gewohnt war, schaffte ich es natürlich mit Bravour den Alarm des Hauses am Morgen auszulösen. Nichtsahnend spazierte ich in die Küche, es ging eine Sirene los und ein paar Sekunden später stand Agustín in der Tür. Aber man kann seine Laune anscheinend nicht trüben, denn auch, als ich es kurze Zeit später fertigbrachte, den Rollladen funktionsuntüchtig zu machen, blieb er die Ruhe in Person. Und dabei dachte ich, dass Argentinier ihren Empfindungen wild gestikulierend und laut Ausdruck verleihen würden! :D
Von rasantem Charakter zeugt schon eher die Fahrweise der argentinischen Autofahrer. Was für ein Chaos auf diesen Straßen. Rot scheint mir hier weniger eine Signalfarbe zu sein, als ein Accessoire, welches die Straße in ein schönes Licht taucht.
Dass jemand auf die Idee kommt links zu überholen, ist genauso unwahrscheinlich wie eine Autofahrt lang kein Hupen zu hören oder gar den Sicherheitsabstand einzuhalten: Hier ist es gängig von rechts zu überholen. Wenn ich mich jemals wieder über die Fahrweise von Münchnern beschwere, erinnere mich an Buenos Aires!
Jedenfalls war unser Plan diesmal mit dem Auto in die Stadt zu fahren, um das Nachtleben der Porteños unsicher zu machen. An dieser Stelle muss ich ein Geständnis loswerden: Ich habe mich verliebt. Buenos Aires ist wirklich einmalig und facettenreich. Nach einer Radtour durch das ruhigere Stadtviertel von Palermo, höre ich Agustín sagen: „Das war doch nicht Buenos Aires!“
– Was ist denn dann Buenos Aires? Sind dann vielleicht die europäisch angehauchten Gebäude in Recoleta typisch?

Oder die kunterbunten Hafenbauten im Viertel la Boca, oder vielleicht die modernen, futuristischen Hochhäuser im Puerto Madero, die wir uns am dritten Tag anschauten?


Es gibt einfach wahnsinnig viel zu entdecken und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es in so einer Stadt langweilig werden könnte.


Man kann wirklich sagen, dass die Welt ein Dorf ist. So erfuhr ich, dass eine Schulfreundin zur gleichen Zeit wie ich in Buenos Aires war. Und nicht nur sie, sondern auch noch ein anderer Argentinier, den ich aus Dresden kannte. Es stellte sich raus, dass die beiden sich kannten und auch Freunde von Agustín sind. Zufälle gibt es! Am Donnerstag sind wir alle in eine Bar gegangen und verbrachten einen tollen Abend zusammen. Jedoch muss ich mich noch daran gewöhnen, dass man keine Sekunde für sich allein am Rand stehen kann, weil sonst sofort jemand zur Stelle ist, der mit einem (nicht nur) reden oder tanzen möchte.

Alles in allem hatte ich eine wunderbare Zeit, die ich so schnell nicht vergessen werde. Ich bin sehr dankbar, dass ich so lieb und gastfreundlich aufgenommen wurde. Bevor ich von Deutschland los geflogen bin, hätte ich mir nicht erträumen können, dass es so toll hier sein würde. 

2 Kommentare:

  1. Schön, dass du gut gelandet bist und so herzlich empfangen wurdest. Du hast ja eine ganze Menge innerhalb von ein paar Tagen in Buenos Aires erlebt. Ich bin gespannt auf deine Berichte aus Neuquen und anderen Teilen in Argentinien!

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  2. Sehr interessante Berichterstattung von deinen Tagen in Buenos Aires! Wir freuen uns, dass es dir sooo gefällt in Argentinien. Weiterhin viel Spaß!
    Liebste Grüße von zu Hause

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