Nenne mich nicht faul, weil ich nicht geschrieben habe! Ich hatte nämlich sehr viel um die Ohren.
Die letzten Tage musste ich durchgehend meinen Tag vorher
genau planen, um keine Zeit zu verschwenden. Gestern war der erste, an dem ich
wieder aufatmen konnte. Hier in der Uni gibt es für jede Veranstaltung
Zwischenprüfungen: Also 3 Prüfungen auf Spanisch die ich bestehen muss!!! Diese
Gewissheit übte nicht wenig Druck aus und wurde noch begleitet mit der Panik,
dass ich die Hausarbeit für Soziolinguistik (als Souvenir des letzten Semesters
in Deutschland) bis Monatsende einzureichen hatte. Ich schrieb über die Mapuche
und ihre Sprache. Die Mapuche (übersetzt Menschen der Erde/ des Bodens) sind
ein indigenes Volk, von welchem große Teile in Chile leben. Heute hat der
Großteil, der nicht in isolierten Gemeinschaften lebt, seine ehemalige Sprache
verloren und spricht Spanisch. Dies liegt in erster Linie an der Diskriminierung
und Unterdrückung, mit der sie in der Vergangenheit konfrontiert wurden. Für
meine Hausarbeit bekam ich die Chance mit jemandem ein Interview zu führen, der
Mapuche-Vorfahren hatte. Er schenkte mir sogar ein Buch, um die Sprache zu
erlernen. Ein paar Worte habe ich auch schon gelernt. Wie du siehst, war ich
alsso ziemlich im Stress die letzten Tage, um den ganzen Verpflichtungen
nachzukommen. Trotzdem habe ich diesen Monat einiges erlebt, was ich gerne mit
dir teilen möchte!
Für eine Reise ans "Mar de la Plata" sammelte Helios zusammen mit den anderen Geographiestudenten Spenden, indem sie selbst gemachte Empanadas (gefüllte Teigtaschen) im Innenhof der Uni machten. |
Wie schnell muss man über die Matten rennen, ohne dass man dabei runterfällt? |
Zum einen wurde ich, seit ich in Argentinien angekommen bin,
immer wieder darauf hingewiesen, wie typisch „Asado“ ist und dass ich unbedingt
an einem teilnehmen sollte. „Asado“ kann man als Grillen verstehen, allerdings
mit gutem argentinischen Fleisch. Der Großteil präferiert hier Rindfleisch,
Schweinefleisch und Hähnchen bekommt man seltener zu Gesicht. Diesen Monat
hatte ich dreimal die Möglichkeit Asado zu essen. Ich muss gestehen, dass mir
die Atmosphäre an sich besser gefiel als das Essen selbst. Mir kommt es so vor,
als würde man in Deutschland bei der Vorbereitung eines Grillabends den Fokus
genauso auf Salate bzw. allgemein Beilagen legen wie auf das Fleisch selbst. In
Argentinien bekommt das Fleisch einen größeren Stellenwert und leckere,
aufgebackene Baguettes fehlen meiner Meinung nach. Der letzte Grillnachmittag,
an dem ich teilnahm, war in der „semana de estudiantes“ Woche der Studenten,
die wir frei hatten, um uns für die Prüfungen vorbereiten zu können. Vorher
fand ein Schwimm-Treff statt, wo verschiedene Mannschaften in unterschiedlichen
Spielen im Wasser gegeneinander antraten.
Eins davon war Basketball im Wasser,
wo mein Team gewann. In den restlichen Kategorien waren wir weniger geschickt
und mussten als Strafe einen Tanz (wo wir uns bewegen mussten, wie ein
Spaghetti) am Beckenrand aufführen. Insgesamt war es ein wirklich lustiger Tag,
allerdings musste ich gefühlt hundertmal beantworten, was ich studiere, wo ich
herkomme, wo ich unterkomme und warum ich nach Argentinien gekommen bin. Da
fühlte ich mich an die Zeit, als Suki noch ein Welpe war zurückerinnert, weil
ich mir da auch immer wieder die gleichen Fragen anhören konnte und dabei auch
der Versuchung widerstehen musste, ein Visitenkärtchen anzufertigen.
Im Garten |
Den Rest der Lern-Woche versuchte ich mir so schön wie es
eben ging zu gestalten. Da die Tage nun immer schöner werden und es draußen
teilweise sogar wärmer als im Haus ist, nutzte ich die Möglichkeit viel draußen
zu lernen, oftmals in Gesellschaft von Bekannten. Das traditionelle
Mate-Trinken durfte nicht fehlen und half uns unter zu bleiben. Was ich
besonders schnell gelernt habe, sind alle möglichen Schimpfwörter auf
argentinischem Spanisch. Hier ist es normal sich am laufenden Band zu
beschimpfen, insofern man sich gut versteht. Wenn man danach geht, gibt es also
inzwischen schon zwei Personen, mit denen ich befreundet bin, weil ich es mir
erlauben kann sie zu beleidigen, ohne dass es sie stört. Das ist eine ganz
schöne Umstellung, weil man sowas in Deutschland nie tun würde!
Diesen Monat hatte ich die Chance an einen See, der sich
Chocón nennt, zu fahren. Es war ein sehr schöner Trip. Julieta, eine Freundin
aus der Uni, hat Verwandte, die sich ein Haus am See bauen lassen. Momentan ist
bis auf ihr halbfertiges Haus noch nicht viel (wenn man den bereits grünen
Fußballplatz außer Acht lässt) in dem Gebiet, wo bald ein riesiges
geschlossenes Ferienhausviertel entstehen wird. Momentan ist alles noch karg
und man kann sich nur schwer vorstellen, dass das in der Wüstenlandschaft
aufgebaut werden soll. Als wir an den Ufern des künstlichen Sees langliefen,
wurde mir bewusst, was für ein archäologisch wertvolles Gebiet diese Region
ist. Hier wurde das bisher älteste Dinosaurierskelett der Welt entdeckt. Auch
wir haben uns gefühlt wie Archäologen, als wir Fossilien von versteinerten
Baumstämmen fanden.
Der See Chocón ist für sein Wasserkraftwerk bekannt, dessen
gewonnene Energie bis nach Buenos Aires transportiert wird. Mir wurde erzählt,
dass es in Buenos Aires wegen des niedrigen Wasserstands im Sommer häufig zu
Stromausfällen kommt. Das scheint aber nicht das einzige Problem bei der
Energieversorgung zu sein, denn in meinem Stadtviertel fiel in letzter Zeit
gleich zweimal das Licht aus. Gestern traf mich das Glück, als ich beim
Schwimmtraining war und gerade gemütlich meine Bahnen schwamm. Das Training
wurde abgesagt und es gelang mir gerade noch rechtzeitig meine Schuhe vor der
Überflutung der Umkleide retten. Zum Glück ging alles gut und ich konnte in
Badelatschen im strömenden Regen nach Hause laufen, ohne bedeutend nasser als vorher
zu werden.
Maxi's Geburtstagstorte |
Dieses Bild wurde kurz vor 24 Uhr gemacht. Mein Bauch hat sich ganz schön beschwert!!! |
Auch das Kerzenauspusten gehört normalerweise dazu (auch wenn die
Kerze fehlte und durch ein brennendes Streichholz ersetzt wurde, weshalb wir
umso schneller singen mussten) und musste zweimal stattfinden, weil das erste
Mal keine Fotos gemacht wurden. Ich muss mich immer noch an die späten Zeiten
fürs Abendbrot gewöhnen, da ich gefühlt schon dreimal einen Hungertod erlebte,
als wir endlich um halb eins nachts die Pizzen servierten. Zu meinem Repertoire
an Kartenspielen kommen folgende Spiele hinzu: truco (bei dem ich bis zum Ende dachte, dass wir am verlieren sind, aber mein Team in Wirklichkeit am Gewinnen war und ich die ganze Zeit dachte im gegnerischen Team zu spielen, als die Punkte aufgeschrieben wurden), Chancho (ein sehr gewalttätiges Spiel, bei dem alle auf einmal mit ihren Händen in die Mitte des Tisches schlagen müssen – ein Glück, dass ich meistens dank meiner langsamen Reaktionszeit vor blauen Flecken geschützt wurde) und Uno (allerdings mit einigen chaotischen neuen Regeln).
Dank dieser tollen Erlebnisse fühle ich mich so langsam wie
zu Hause. Allmählich habe ich das Gefühl Leute zu kennen, mit denen ich öfter
was mache.
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